Knut Gerschau

Westafrika-Engagement auf dem Prüfstand

Foto: Ute Grabowsky/phototek.net

Die fünf Sahel-Staaten Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad haben geo- und entwicklungspolitisch in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Einerseits verfügen sie über zahlreiche Ressourcen, landwirtschaftliches Potenzial, eine junge Bevölkerung und die klimatische Möglichkeit zur Gewinnung erneuerbarer Energien. Andererseits sind sie von politischer Instabilität, islamistischem Terrorismus, Ernährungsunsicherheit und den Folgen des Klimawandels betroffen. Sie sind auch Ausgangspunkt für Migrationsbewegungen Richtung Nordafrika und Europa, die in den nächsten Jahren noch zunehmen dürften.

Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat im Juli 2023 die Präsidentschaft der internationalen Sahel-Allianz übernommen, um die Situation der Menschen in diesen Ländern trotz aller Probleme nachhaltig zu verbessern und auch dafür zu sorgen, dass die Gefahren, die dem Sahel drohen, nicht auf benachbarte Länder in Westafrika übergreifen. Die Allianz wurde 2017 von Deutschland, Frankreich und der EU gegründet und hat mittlerweile 18 Mitglieder und neun Beobachter, wozu auch Entwicklungsbanken und die Vereinten Nationen gehören. Sie umfasst mehr als 1.400 Projekte, Initiativen und Modellvorhaben. Als Ergänzung hat das Bundesministerium für wirtschaftliche und Zusammenarbeit die Sahel-Plus-Initiative ins Leben gerufen, um Stabilisierungsmaßnehmen, humanitäre Hilfe und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu intensivieren.

In Mali, Burkina Faso und Niger gab es in den letzten Jahren Militärputsche, die zu einer Abwendung vom Westen und der bisherigen Kooperation vor allem mit Frankreich führten. Die Bundeswehr, die in Mali Tausende von Soldaten zur Bekämpfung der islamistischen Gefahr bereitstellte und auch im Niger Stützpunkte unterhielt, ist nicht mehr willkommen. Der Abzug unserer Soldatinnen und Soldaten ist bereits beschlossen und steht kurz vor dem Abschluss. Der Einfluss von Russland als neue „Schutzmacht“ wird immer deutlicher. Die Militärregime in den drei Ländern haben angekündigt, aus der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten ECOWAS auszutreten, mit schwerwiegenden Folgen für die Perspektiven der eigenen Bevölkerung, für Handelsbeziehungen und freizügige Mobilität in der Region.

Auf diesem Hintergrund habe ich gemeinsam mit der Ministerin Burkina Faso und das benachbarte Benin besucht. Die Erfahrungen hätte kaum unterschiedlicher sein können.

In Burkina Faso wurde die deutsche Delegation nicht freundlich empfangen. Die Hinwendung zu Russland wird von der Bevölkerung zu großen Teilen mitgetragen und ist im Straßenbild offensichtlich. Deutschland bemüht sich weiterhin darum, regierungsfern zu arbeiten und Bildung, ländliche Entwicklung und die Zivilgesellschaft zu unterstützen. Dabei fließt ein erheblicher Teil der Unterstützung über die ECOWAS und würde nach dem Austritt des Landes aus dem Verbund wegfallen. Dies scheint dem Regime jedoch gleichgültig zu sein. Burkina Faso macht deutlich, wie schwierig es ist, im Rahmen der Sahel-Allianz Entwicklung zu ermöglichen, ohne einem zunehmend diktatorischen Regime Hilfestellung zu leisten.

Ganz anders war die Situation im benachbarten Benin. Trotz wirtschaftlicher und politischer Defizite befindet sich dieses Land langfristig im Aufschwung und gilt als stabile Demokratie. Die Regierung bemüht sich durch Steuer- und Bürokratieerleichterungen sowie die Schaffung einer Sonderwirtschaftszone, ausländische Investoren zu motivieren und Angebote zur Beteiligung der Privatwirtschaft am ökonomischen Fortschritt zu schaffen. Die Bundesregierung engagiert sich vielfältig in Benin, beispielsweise in den Bereichen Landwirtschaft und Wiederaufforstung, Ausbildung und Bildung. Die Folge: eine konstruktive Zusammenarbeit und eine Gesellschaft, die für sich selbst Perspektiven entwickelt.

Die Reise hat deutlich gemacht: Afrika ist kein Land. Es sind 54 Länder mit völlig unterschiedlichen Chancen und Herausforderungen. Die deutsche Entwicklungspolitik wird sich auf diese Differenzierung mehr als bislang einstellen müssen. Dabei bleibt eine Reihe von Leitlinien unverzichtbar: dringende humanitäre Hilfe dort, wo sie gebraucht wird, die Schaffung von Beschäftigung auf der Basis von Bildung und Ausbildung, gesundheitliche und soziale Basis-Absicherung. Nur, wenn die Menschen in Westafrika in der Lage sind, sich eine eigene Lebens- und Einkommensgrundlage aufzubauen, wird es gelingen, dem Extremismus den Nährboden zu entziehen, irreguläre Migration einzudämmen und Partnerschaften auf Augenhöhe im Sinne einer Win-Win-Situation zu ermöglichen.