Knut Gerschau

Entwicklungspolitik als Zukunftsaufgabe

Seit mehr als drei Jahren habe ich mich als Bundestagsabgeordneter für Entwicklungspolitik engagiert. Nach vielen Jahren im Vorstand der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung und Reisen in zahlreiche Länder Afrikas und Asiens war mir dieses Engagement eine Herzensangelegenheit. Meine Bilanz nach diesen drei Jahren in der Bundespolitik fällt insgesamt positiv aus, wobei es auch Kritikpunkte gibt, die für eine künftige erfolgreiche Bundespolitik wichtig sind.

In meiner Arbeit im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Unterausschuss für Globale Gesundheit habe ich folgende Schwerpunkte gesetzt:

  • Bildung. Entscheidend für eine gute Zukunft in Entwicklungs- und Schwellenländern ist – nicht zuletzt auf dem Hintergrund der zunehmenden Bevölkerungszahlen - eine gute Bildung und Ausbildung für die mehrheitlich jungen Menschen in Afrika und Asien, die im 21. Jahrhundert wesentlich zum globalen Fortschritt beitragen werden. Deswegen haben die Liberalen gemeinsam mit ihren Koalitionspartnern im Jahr 2022 einen Antrag auf Förderung der Globalen Grundbildung auf den Weg gebracht. Ich habe mich stets dafür ausgesprochen, Bildung als ein zentrales Thema der deutschen Entwicklungszusammenarbeit fortzuentwickeln. Auch für die Steuerung der Bevölkerungsentwicklung ist Bildung entscheidend: je höher das Wissens- und Ausbildungsniveau, desto wahrscheinlicher wird die Chance auf persönlichen Aufstieg und eine gezielte Familienplanung. Eine gute Bildung ist auch Voraussetzung für politische Teilhabe und die Entwicklung demokratischer, gerechter Regierungssysteme. Die Rückschritte durch die Corona-Pandemie sind in vielen Staaten immer noch nicht aufgeholt.
  • Frauenrechte. Der Hälfte der Weltbevölkerung werden in vielen Ländern immer noch grundlegende Rechte verwehrt und ihre Chancen auf Weiterentwicklung behindert. Dabei ist seit langem bewiesen, dass die Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung entscheidend beiträgt. Deswegen müssen wir das Unternehmertum von Frauen ebenso fördern wie ihren Zugang zu Landrechten und ihre Mitwirkung an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. Dazu gehört auch der Kampf gegen genderbasierte Gewalt. Diese Herausforderung für die Entwicklungspolitik wird in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen.
  • Gesundheit. Gesundheit ist und bleibt ein globales Thema. Das hat die Corona-Pandemie nachdrücklich gezeigt. In Entwicklungsländern – vor allem in Konfliktgebieten – fehlt es häufig an grundlegenden Gesundheitsdienstleistungen, nicht zuletzt für Frauen und Mädchen, deren Selbstbestimmung eingeschränkt ist und die in manchen Ländern archaischen Praktiken wie der Genitalverstümmelung unterworfen sind. Hier heißt es, ein Bewusstsein zu schaffen für eine bessere medizinische Versorgung – sowohl bei uns in Deutschland als auch in den betroffenen Ländern. Dabei gibt es Fortschritte: die Digitalisierung ermöglicht Telemedizin und die Auslieferung von Medikamenten, die Impfstoffproduktion in Afrika wird angekurbelt. Hier muss noch mehr geschehen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Vermeidung künftiger Pandemien. Wir benötigen auch eine Neuordnung der internationalen Gesundheitsfinanzierung und eine zielgerichtete Steuerung der internationalen Gesundheitspolitik durch internationale Organisationen wie die World Health Organization. Auch diese Aufgabe ist drängender denn je.
  • Wirtschaft. Das Schlagwort „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ darf keine Worthülse bleiben. Entwicklungsländer benötigen keine Almosen, sondern Unterstützung beim Aufbau einer eigenständigen Wirtschaft, vor allem im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen. Dazu gehört die Etablierung von Wertschöpfung vor Ort, damit gerade afrikanische Länder nicht dauerhaft als untergeordnete Rohstofflieferanten angesehen werden. Dazu gehört auch ein fairer Freihandel, sowohl im regionalen als auch im globalen Umfeld. Afrika bietet ein enormes Potential für wirtschaftliche Entwicklung, die auch in unserem Interesse ist; gerade in den Bereichen saubere Energiegewinnung und Schaffung einer nachhaltigen Infrastruktur bieten sich viele Win-Win-Möglichkeiten.

Dies führt mich zu den Kritikpunkten an der Entwicklungspolitik der letzten Jahre:

  • Die Einbindung der Privatwirtschaft wurde zu lange vernachlässigt. Dabei sind sowohl das Kapital als auch das Know-How privater Investoren langfristig für die genannten Ziele unverzichtbar. Die Hebelwirkung des Einsatzes privater Gelder ist enorm und bildet auch die Grundlage für viele Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit, die durch staatliche Programme und die Kreditanstalt für Wiederaufbau umgesetzt werden. Diesen Bereich gilt es in Zukunft deutlich zu stärken und dadurch den Aufbau eines Mittelstands in unseren Partnerländern nachhaltig zu unterstützen.
  • Entwicklungszusammenarbeit muss stärker fokussiert werden. Es gibt zu viele einzelne Projekte in zu vielen verschiedenen Ländern, deren Ergebnisse völlig unterschiedlich ausfallen. Wir dürfen nicht weiter Geld mit der Gießkanne verteilen, sondern müssen klare Ziele benennen, die auch eine Berücksichtigung unserer Werte und Interessen beinhalten. Dabei können wir häufig durch multilaterale Zusammenarbeit mehr erreichen als durch bilaterale Projekte. Ich sehe viele Einsparmöglichkeiten, denen die Stabilisierung von Ausgaben für wichtige Ziele wie Bildung, Gesundheit, moderner Landwirtschaft und guter Regierungsführung gegenübersteht.
  • Eine Zusammenlegung von Entwicklungs- und Außenpolitik in einem gemeinsamen Ministerium ist eine Überlegung, die nicht von vornherein verteufelt werden darf. Auch die Sicherheitspolitik gehört dazu, denn Sicherheit ist häufig Vorbedingung für humanitäre und entwicklungspolitische Maßnahmen. Viel zu oft fehlt es an einer Koordinierung unterschiedlicher Stellen, viele Beteiligte arbeiten parallel – dies darf so nicht weitergehen. Zumindest bedarf es einer besseren Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ministerien.

Nach drei Jahren als Entwicklungspolitiker ist mir deutlich geworden: Entwicklungszusammenarbeit bleibt eine Aufgabe, die unsere Gesellschaft weiterhin prägen wird und zu einer Lebensaufgabe werden kann. Sie ist zu Unrecht in letzter Zeit Gegenstand grundsätzlicher scharfer Kritik geworden. Allerdings muss man Kritik ernst nehmen und nicht nur in Verteidigungsmodus verfallen. Auch wenn wir mancher Korrekturen bedürfen: die Zukunft der Entwicklungs- und Schwellenländer wird auch unsere Zukunft mehr prägen, als vielen bewusst ist, sei es im Rahmen der Migration, sei es im Rahmen der Konkurrenz um die besten Ideen, sei es bei den Herausforderungen durch den Klimawandel. Deutschland muss schon aus ureigenem Interesse einer der wichtigsten Player der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bleiben. Hierfür werden sich die Freien Demokraten mit ihren Ideen und Vorschlägen weiterhin vehement einsetzen – hoffentlich in einer neuen Bundesregierung, aber auch darüber hinaus.